Es war ein sonniger Samstag im Juli, als nach Erledigung von Hausaufgaben und Wohnungputzen alle ein wenig Hunger bekamen. Und statt in Kühlschränken herum zu suchen, beschloss ich, dass wir doch Burger essen gehen könnten in der Stadt- und das zu Fuß, damit man auf dem Weg Pokémon-Eier ausbrüten könne. Ja- ich hatte mir das Spiel aus Neugier am Erscheinungstag aufs Smartphone geladen, um es zu begutachten. Ich spiele nie auf dem Smartphone (lieber am PC), aber das Release von Pokémon Go war ein großes und viel diskutiertes Ereignis und dem wollte ich beiwohnen. Und obwohl es in der ersten Woche viele Serverprobleme gab, das Spiel ständig abstürzte oder einfror, machte es doch erstaunlich Spaß, auf seinen ganz normalen Wegen ein paar der kleinen niedlichen Monsterchen zu erspähen und mittels gezielt geworfenenen Pokébällen zu fangen.
Nun, an jenem Juli-Mittag gelang es mir tatsächlich, meine Familie (Mann, Kind und Teenager) zu einem 2-Kilometer-Spaziergang in die Innenstadt zu bewegen, wo wir zunächst Essen gingen. Anschließend zog es niemanden nach Hause (erstaunlich!), statt dessen zeigte uns Lisa (18 Jahre) den Rosengarten im Stadtpark als Hotspot für Pokémon-Go-Spieler. Hier hatte kurz nach Release des Spiels eine freundliche Übernahme stattgefunden: Früher offenbar ein Eckchen des Parks mit Brunnen und Rosen, das Senioren für einen kleinen Spaziergang und einen Plausch auf den Bänken nutzten. Nun ein Ort voller junger Leute, die auf der Wiese und am Brunnenrand saßen, in Grüppchen oder zu zweit, zum Teil mit Picknick. Sie saßen dort und schauten auf ihre Smartphones, zeigten sich gegenseitig ihre Erfolge, gaben sich Tipps, freuten sich gemeinsam über einen gelungenen Fang, schlossen neue Bekanntschaften und genossen den Samstag Nachmittag in der Julisonne.
Was man nur sehen konnte, wenn man selbst Pokémon Go spielte war, dass dort im Rosengarten verteilt vier sogenannte Pokéstops standen, von denen es ohne Unterlass virtuelle Rosenblätter regnete. Dieser Blütenregen bedeutete, dass Spieler an den Pokéstops virtuelle Lockmodule angebracht hatten, die die Monsterchen anlockten. Jedes Lockmodul hält eine halbe Stunde, dann muss ein anderer Spieler ein neues Lockmodul installieren. Die angelockten Pokémon sind für alle Spieler sichtbar und so wimmelte es zwischen den Rosen und rund um den Brunnen nur so von Taubsis, Entons und Karpadors.
Mit all den jungen Leuten und den niedlichen Pokémon wirkte der Ort sehr lebendig. Die 11- und die 18-Jährige liefen mit Smartphones umher und fingen begeistert ein, was sie finden konnten und so blieben wir bis zur Abenddämmerung und es war ein richtig schöner Familien-Samstag.
Inzwischen gibt es etliche Gemeinschaften in sozialen Netzwerken, wo Spieler sich gegenseitig verraten, wo man besonders seltene und begehrte Pokémons findet. Man verabredet sich dort mit Bekannten und Fremden zur gemeinsamen Pirsch. Im Stadtgebiet haben sich beliebte Treffpunkte gebildet (gekennzeichnet durch eine hohe Dichte von Pokéstops), wo man zu jeder Tages- und fast jeder Nachtzeit andere Spieler treffen kann. Arenen der drei verschiedenen Fraktionen (Instinct, Valor und Mystic) werden jeden Tag erobert und zurück erobert und mit den besten Pokémon besetzt, die man auf Lager hat. Viele Jugendliche und manche Erwachsene entscheiden sich, zu Fuß zu gehen, statt mit der U-Bahn zu fahren, weil man beim Gehen Eier ausbrüten kann, aus denen vielleicht seltene Pokémon schlüpfen, sozusagen Überraschungs-Ei „to go“, bloß ohne Schokolade. Für ein Ei muss man mindestens 2 Kilometer gehen, für die Chance auf seltene Pokémon sind es schon 10 Kilometer.
Meine persönliche Faszination am Spiel ließ nach etwa zwei Monaten nach. Dennoch finde ich es sehr spannend, wie die Welt mit virtuellen Elementen angereichert wird und sich mitten im normalen Straßenbild ein für Nicht-Spieler unsichtbares Geschehen abspielt. Für diese mag es seltsam erscheinen, wenn Leute plötzlich stehen bleiben und auf ihrem Smartphone herum wischen oder wenn an Brücken 5 oder 10 Menschen eine halbe Stunde lang offenbar nur auf ihr Handy gucken. Ich weiß, dass Karpadors beliebt sind, man viele davon braucht und man diese immer in der Nähe von Wasser fängt (weil es eben Fische sind).
Im Sommer 2016 haben wir noch öfter Familienausflüge mit Eisessen und Taubsis-Fangen gemacht und entlang der Pokéstops auch ein paar neue Seiten der Heimatstadt kennen gelernt. War schön! Hat Spaß gemacht! Und mehr muss ein Spiel auch nicht.